Die Natur holt sich irgendwann zurück, was ihr gehört – so in letzter Zeit die Wölfe - sie streifen aktuell immer häufiger durch Terrain, das vor etlichen Zeiten noch ihres war. So stieg die Zahl der Wölfe in Deutschland bis 2021 auf ca. 1800, wobei sich der Wolfsbestand alle drei bis vier Jahre verdoppeln soll. Einerseits freuen wir uns darüber, wieder ein Stück Wildnis vor der Haustüre zu haben, andererseits fressen Wölfe nun mal kein Gras und so wird die unkontrollierte Wolfsausbreitung jetzt vielen Tierhalterinnen und Tierhaltern zum Verhängnis.
Der mediale und gesellschaftliche Aufschrei der letzten Wochen ist groß. Wir Landwirtinnen und Landwirte sollen wolfssichere Zäune bauen oder Herdenschutzhunde anschaffen – es würde ja staatlich subventioniert, in Spanien oder den Pyrenäen gehe es doch auch. Ansonsten solle man die Tierhaltung ganz aufgeben, wenn man nicht bereit sei, seine Tiere angemessen zu schützen. Dabei wird jede und jeder plötzlich zum Herdenschutzexperten, der erfahrene und praxisbezogene Blick aus der Sicht der Tierhalterinnen und Tierhaltern, die seit Generationen wirtschaften, zählt wenig, oder gar nichts.
Um alleine den Aufwand für Herdenschutzzäune aufzuschlüsseln, folgendes Beispiel:
Für den Bau eines geförderten „wolfssicheren“ Zaunes muss bis spätestens ein Jahr nach Ausrufung des Wolfsgebietes beim zuständigen Landwirtschaftsamt ein Antrag mit drei Zaunbauangeboten eingereicht werden. Sollte das Vorhaben genehmigt werden, darf ein 1,20m hoher Zaun mit 5 Stahldrähten à 2,5mm, Spannpfosten à 30x30cm je einen Meter in die Erde gerammt, 3 Erdungspfählen und ca. 8000 Volt Spannung (ganzjährig, auch bei Nichtbeweidung) gebaut werden. Doch damit ist es nicht getan – die Antragstellenden sind die folgenden 10 Jahre verpflichtet, den Zaun instandzuhalten und zu pflegen, wie zum Beispiel den ersten, 20 cm über dem Boden angebrachten Draht, permanent auszumähen.
Da wir extensiven Weidetierhalterinnen und -halter hauptsächlich über Umtrieb beweiden, das heißt die Tiere nicht dauerhaft auf einer Weide stehen zu lassen, sondern um den Boden zu schützen und kleinere, landwirtschaftlich schwer nutzbare Flächen zu nutzen, besitzen viele Betriebe auch etliche kleine Parzellen mit unter 0,5 ha. Hierbei kommen teilweise Summen über 150.000 € pro Betrieb zusammen, sonstige Maßnahmen ausgeschlossen.
Offen bleibt jedoch, ob und wie der Zaun in unserer fränkischen Alb mit vorwiegend felsigem Untergrund der Weideflächen überhaupt rein technisch gebaut werden kann, wie tierhaltende Betriebe diese horrenden Summen in Vorleistung bezahlen sollen - Subventionsgelder fließen erfahrungsgemäß eher spät - und ob sich die finanziellen sowie aufwändigen Herdenschutzmaßnahmen jemals im Preis tierischer Lebensmittel widerspiegeln könnten.
Extensive Weidetierhaltung bietet einen enormen Mehrwert. (Hang-)Flächen, die für sonstige Nutzungsarten ungeeignet sind, werden hierdurch ohne maschinellen Aufwand bewirtschaftet und werden so vor Verbuschung geschützt. Das trägt wesentlich zum Erhalt der Artenvielfalt bei und pflegt unsere Kulturlandschaft auf die einfachste Weise. Hinzu kommt, dass die Tiere die meiste Zeit des Jahres auf den Weiden leben und somit immer frisches Gras, genügend Auslauf und ihren natürlichen Lebensraum zur Verfügung haben, wodurch Tierwohl sowie -gesundheit garantiert sind. Ich bin daher der Überzeugung, eine tierfreundlichere, nachhaltigere und umweltfreundlichere Art der tierischen Lebensmittelerzeugung als die extensive Weidehaltung gibt es schlichtweg nicht.
Am meisten beschäftigt mich aber die existentielle Frage unserer heimischen, kleinstrukturierten Landwirtschaft. Wollen wir die noch existierenden Betriebe, die einen ständig zunehmenden Auflagen- und Bürokratieaufwand zu bewältigen haben nun auch noch mit einem Berg an Herdenschutzarbeit und täglicher Angst um ihre Tiere belagern? Die logische Folgerung hieraus wäre nur ein weiteres Höfesterben und der Zuwachs der landwirtschaftlichen Großbetriebe – das sollte am Ende wohl niemandes Absicht sein, so toll wir die Wölfe auch finden mögen.
Zur Autorin: Daniela ist 19 Jahre alt, sie lebt und arbeitet auf dem Familienbetrieb in Großengsee, Nürnberger Land. Zusammen mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester betreiben sie ein Wirtshaus mit hauseigener Schlachtung, Metzgerei und zugehöriger Mutterkuhhaltung. Sie ist Bayerns jüngste Gemeinderätin und engagiert sich politisch in der CSU. Ab Oktober studiert sie an der FH Weihenstephan-Triesdorf Landwirtschaft.