Am Mittwoch stand eine Aktuelle Stunde zur Haltung der Bundesregierung zu einem bundeseinheitlichen Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages. Hier meine Wortmeldung zum Thema im Plenum:
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Die Rede von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt in der aktuellen Stunde zum Nachlesen:
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte jetzt vom Eifer zur Realität kommen und erst einmal feststellen, dass wir alle hier im Hohen Haus – ich gehe einmal davon aus – und in der Bundesregierung „die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik“ anerkennen. So steht es wörtlich im Koalitionsvertrag. – Hört doch einmal zu! Ihr habt es doch noch gar nicht gelesen. Erst lesen und dann reden! Das ist immer noch besser. Mein Gott! Politik lebt zwar von Aufregung, lebt aber ab und zu auch von Sachkunde. Die wollen wir heute, bitte, einmal auf den Tisch bringen.
So steht es, wie gesagt, wörtlich im Koalitionsvertrag. Den müssen Sie nicht jeden Tag lesen; es reicht, wenn wir das tun. So wurde es inhaltlich auch im vergangenen Jahr vom Deutschen Bundestag bekräftigt, und er hat der Bundesregierung, mir, den Auftrag gegeben, die Möglichkeiten zum nationalen Ausstieg aus dem GVO-Anbau – Zitat! – rechtssicher zu verankern. Nichts anderes tun wir nun. Unser gemeinsames Ziel ist es, den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland flächendeckend zu verbieten und die Opt-out-Möglichkeit schnellstmöglich zu nutzen.
Übrigens: Diese Opt-out-Möglichkeit ist in Brüssel noch gar nicht endgültig beschlossen worden, sondern sie wird vermutlich erst nächste Woche beschlossen werden. Sie baut auf dem Binnenmarkt auf.
Wir müssen uns – ich sage das für die Feinschmecker, die sich damit beschäftigen – natürlich an dem orientieren, was uns Europa vorgibt. Ich gehe einmal davon aus, dass sich daran nichts mehr ändert, sondern dass wir dankenswerterweise nächste Woche diesen Richtlinienentwurf bekommen werden.
In den letzten Wochen und Monaten habe ich intensiv dafür gekämpft – in Europa gibt es eben Länder, die das anders sehen als wir; das kann ich denen nicht verbieten –, dafür geworben, dass wir für die Opt-out-Regelung eine Mehrheit bekommen. Das ist gelungen. Darüber sollten wir uns doch freuen.
Also: Wir wollen das Verbot im gesamten Bundesgebiet.
Vorweg halte ich sozusagen zum Mitschreiben fest: Diese Regelungen setzen das gegenwärtige faktische Anbauverbot, das durch das geltende Gentechnikrecht mit Pufferzonen, sehr hohen Haftungshürden und Schutzklauseln besteht, nicht außer Kraft.
Ich sehe Kollegin Künast hier sitzen.
Dieses Gesetz trägt eine Künastsche/Seehofersche Handschrift. Sie haben es einer nach dem anderen geprägt. Auch Ihr Ansatz der Standortregister bleibt in Kraft. Wir verschärfen es sogar und bauen darauf auf.
Mit dem Gesetzentwurf habe ich einen Wegweiser zu diesem Ziel aufgestellt. Nun stimmen wir diesen Entwurf in der Bundesregierung ab. Wir haben noch nicht einmal die Ressortabstimmung beendet. Ich darf an dieser Stelle sagen: Ich glaube, es ist ein guter Entwurf. Aber das heißt nicht, dass ich guten Argumenten gegenüber nicht offen bin. Mein Haus hat unter Hochdruck daran gearbeitet, dass wir unseren ehrgeizigen Zeitplan einhalten können, weil die Zeit drängt. Sieben gentechnisch veränderte Maissorten befinden sich gerade im Zulassungsverfahren. Die Maislinie 1507 ist angesprochen worden. Für MON810 läuft der Erneuerungsantrag. Wir müssen also schnellstmöglich handlungsfähig sein. Ich kann alle nur einladen, sich daran zu beteiligen. Bisher haben wir das in diesen Fragen schon erreicht.
Ich hatte Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Grünen, auch immer so verstanden, dass Sie gegen den Anbau von GVO in Deutschland sind. Darin sind wir uns wohl einig. – Können wir vielleicht mit Unterstellungen aufhören und einfach zuhören beziehungsweise lesen? – Ja, freilich, selbstverständlich. Sie dürfen da-zwischen rufen, und ich darf reagieren.
Um das Anbauverbot in Deutschland umzusetzen, gibt es in der Theorie zwei Möglichkeiten: Entweder erlässt der Bund die Anbauverbote selbst, oder der Bund schafft den Rechtsrahmen, damit die Länder die Anbauverbote erlassen können. Wir alle wollen ein Anbauverbot, das Hand und Fuß hat und nicht nur auf dem Papier schön klingt, sondern auch vor Gericht standhält und in der Praxis wirksam wird.
Auf diesem Weg müssen wir nach meiner rechtlichen Erkenntnis die Länder zumindest mit in die Pflicht nehmen. Warum ist das so? Emotionen schwingen in dieser Debatte mit. Darüber dürfen wir nicht vergessen, dass Anbauverbote die Berufsausübungsfreiheit und Eigentumsgarantie sowie die Warenverkehrsfreiheit im EU-Binnenmarkt einschränken. Wir greifen damit in mehrere Grundrechte ein.
Auf solche Eingriffe richtet das Bundesverfassungsgericht zu Recht ein strenges Augenmerk. Deshalb muss jedes Verbot verhältnismäßig sein, und es muss detailliert und ermessensfehlerfrei begründet werden.
Im Übrigen weise ich die Kritik an der bremischen und hamburgischen Regierung ausdrücklich zurück.
– Hamburg haben Sie nicht genannt, aber Sie haben es mitgedacht, Herr Kollege Ebner. Je genauer ein Opt-out auf die Besonderheiten vor Ort abstellt, desto eher wahrt es die Verhältnismäßigkeit und hat damit vor Gericht Bestand.
Eines ist doch uns allen klar: Ein allgemeines Anbauverbot für alle GVO für das gesamte Bundesgebiet kann es nicht geben. Das erlaubt uns das EU-Recht nicht. Ich denke, dass wir deswegen nach der EU-Richtlinie für jede einzelne Pflanzensorte ein gesondertes Verbot verfügen müssen, und zwar sorgfältig. Dazu müssen wir die Kriterien der Erwägungsgründe in Ziffer 15 der Richtlinie umsetzen. Staatsrechtlich bestehen erhebliche Zweifel, ob diese durch den Bund administriert werden können.
Die Stadt- und Raumordnung ist eine Abweichungskompetenz der Länder. In diesem Bereich hat der Bund keine Kompetenz; ich muss diese Gründe aber mit aufnehmen.
Ich bin offen für die Überlegung, ob es ein Verfahren gibt, das den Bund über die Koordinierung hinaus noch stärker mit einbezieht. Wir wollen eine flächendeckende Regelung erreichen. – Wenn Sie mit Frankreich kommen, weise ich darauf hin: Die anderen Länder sind gerade dabei, sich zu informieren, bevor sie sich entscheiden, wie sie es machen werden. Es gibt viele, die keine Opt-out-Regelung schaffen. Deswegen wird die Koexistenz auch zukünftig eine wichtige Frage bleiben.
Gerade habe ich von meinem österreichischen Kollegen, der sich für ein nationales An-bauverbot eingesetzt hatte, gehört, dass Österreich ein auf die Bundesländer bezogenes Anbauverbot für sinnvoller hält. Dabei kann man den Österreichern sicherlich nicht vorwerfen, beim Thema Gentechnikfreiheit am Ende des Zuges zu sein. Lassen Sie uns deshalb das Ganze in Ruhe und nüchtern an den Möglichkeiten ausrichten.
Politische Zielsetzung muss bleiben, dass es auf nationaler Ebene ein flächendeckendes Anbauverbot gibt. Wir sollten froh und dankbar sein, dass wir als Erste in Europa ein solches Gesetz, wenn denn der Entwurf angenommen wird – die Bundesländer haben die Möglichkeit, mitzureden –, in Kraft setzen werden. Das gibt mir dann die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass der Mais 1507 erst gar nicht in den Anbau gelangt.
Lassen Sie uns auf dem weiteren Beratungsweg im Detail klären, was des Bundes und was der Länder ist. Aber dabei sollten wir nicht vergessen, worum es eigentlich geht. Wir alle wollen keinen Flickenteppich. Aber ich will, dass die Textur so gut geknüpft ist, dass sie reißfest ist. Ich kann Ihnen versichern, dass die Bundesregierung dem Parlament einen solchen Gesetzentwurf zügig vorlegen wird. Wir wollen, dass keine gentechnisch veränderten Pflanzen zu kommerziellen Zwecken in Deutschland angebaut werden. Ich freue mich auf spannende und sachbezogene Diskussionen, in denen wir uns mit dem Thema auseinandersetzen und nicht mit Geschwätz.